D E R   M E N S C H

 

 

Den Menschen zeichnet unter anderem aus, dass er sein Revier verlassen, Klimazonen wechseln und sich an veränderte Lebensräume anpassen kann. Da hierzu eine geographische Orienterierung nötig ist, liegt die Vermutung nahe, dass die konstante Ordnung in der Bewegung der Gestirne schon vor 100.000 Jahren studiert und genutzt wurde - damals begann der anatomisch moderne Homo sapiens in mehreren Auswanderungswellen den östlichen Teil seines Ursprungskontinents Afrika zu verlassen und in Gegenden Afrikas, Kleinasiens, Indiens und Asiens vorzudringen, die stellenweise noch von anatomisch archaischen Menschenarten bewohnt waren.

Vor etwa 45.000 Jahren gelangte er, von Kleinasien startend, einerseits über Süd-West-Sibirien und andererseits über die südliche Küste des Schwarzen Meeres, nach Europa, der Heimat der Neandertaler

 

An dieser Stelle möchte ich auf ein Phänomen hinweisen, das jeden Leser an späterer Stelle in die Irre führen kann. Damit man nicht mit Vorurteilen beschwert auf die Reise geht und in einem Sumpf landet, sei hier also folgendes erwähnt:

 

Die wissenschaftliche Bezeichnung für den anatomisch modernen Menschen ist Homo sapiens, was denkender Mensch bedeutet.

 

"Denkender Mensch" als Bezeichnung für eine anatomische Form ... ?

 

Vermutlich wollte der schwedische Naturforscher Carl von Linne im Jahre 1758 damit zum Ausdruck bringen, dass Relikte einer gewissen technischen und kulturellen Entwicklung an den Grabungsstätten des anatomischen Sapiens zu finden sind, die an den Fundplätzen anatomisch primitiver erscheinender Skelettfragmente eher amateurhaft erscheinen oder gänzlich fehlen. Die Erkenntnis ist sicherlich richtig und der (bisweilen umstrittene) Titel Homo sapiens gilt bis heute.

 

Nun sind aber die meisten Leser keine Anthropologen und so verleitet diese Bezeichnung suggestiv zu der Ansicht, dass Sapiens (wir) fähig ist zu denken, während unsere Vorgänger es noch nicht waren. Dieser Eindruck wird dadurch noch bestärkt, dass man dem anatomisch modernen, nicht-afrikanischen Menschen, der vor der Zeit des Ackerbaus lebte, die Bezeichnung Cro-Magnon gab (Nach einem Ausgrabungsort in Frankreich). Dies nähert ihn zwar bezeichnend dem Neandertaler an (Nach einem Ausgrabungsort in Deutschland), mit dem er sporadisch so manches Territorium, alle Lebensgewohnheiten und gelegentlich auch Körperflüssigkeiten teilte, isoliert ihn aber, nebst diesem, vom Begriff Homo sapiens.

Damit machen wir unsere Identität als Mensch unterschwellig an den technischen Errungenschaften des anatomisch modernen Sapiens fest. Und das ist sicherlich falsch.

Denn:

Es setzt damit den Beginn des Mensch-Seins zeitlich an den Beginn des Ackerbaus vor 8.000 Jahren.

Anatomisch unterschieden sich die regional verschiedenen Jägerstämme der damals ausklingenden Eiszeit aber nicht wesentlicher voneinander, als die Bewohner unterschiedlicher Erdteile sich heute anatomisch unterscheiden. Lediglich die Variation der kleinen Unterschiede war vielfältiger, so dass neben den physischen Merkmalen des heutigen afrikanischen, asiatischen und europäischen Clusters, noch weitere regional isolierte und deutlich unterscheidbare Züge existiert haben, die heute ausgestorben sind. Damit sind extreme Kleinwüchsigkeit, Überaugenwülste, eine flache Stirn, breite Köpfe, eine ausladende Beckengeometrie mit kürzeren Schwangerschaften bei Frauen, sowie andere offensichtliche Proportionen und Eigenheiten, weitgehend spurlos aus dem Repertoire typischer Erscheinungsmerkmale, der sich damals abzeichnenden heutigen drei Massen, geschieden. Andere archaische Merkmale haben sich aber, die Erscheinung der regional einwandernden Sapiens-Populationen prägend, in ihnen aufgemischt und leben im Erscheinungstypus heutiger Einheimischer der unterschiedlichen Erdteile weiter:

 

 

 

Homo erectus oder Tropischer Mensch

 

Erste Afrikaner, die vor rund 1,8 Millionen Jahren die unbewohnten Kontinente Indien, Asien und Europa betraten und sich während der folgenden Phasen der Isolation, in den klimatisch unterschiedlichen Erdteilen individuell anpassten und zu Unterarten mit individuellen Erscheinungsformen entwickelten:

 

Afrika:         

Homo erectus --> Homo naledi

--> Archaischer afrikanischer Homo sapiens

--> Moderner afrikanischer Homo sapiens durch Hybridisierung

 

Europa:      

Homo erectus --> Homo heidelbergensis

--> Homo neandertalensis (Archaischer europäischer Homo sapiens)

--> Moderner europäischer Homo sapiens durch Hybridisierung

 

SO-Asien:  

Homo erectus --> Homo pekinensis | China

Homo erectus --> Homo javanicus | Sangiran 

Homo erectus --> Homo floresiensis (Flores) 

--> Archaischer asiatischer Homo sapiens durch Hybridisierung

--> Moderner asiatischer Homo sapiens durch Hybridisierung

 

Eurasien:   

Homo erectus --> Homo dmanisi (Kaukasus) --> Überlagerung durch den Neandertaler

 

S-Sibirien:  

Homo erectus --> Homo denisova (Altai) --> Überlagerung durch den Archaischen asiatischen H. sapiens

 

 

 

Archaischer Homo sapiens oder Subtropischer Mensch

 

Frühe Afrikaner, die vor etwa 100.000 Jahren begannen, in mehreren klimatisch bedingten Auswanderungswellen, das unbewohnte Australien zu besiedeln und weite Teile der bewohnten Kontinente Indien und Asien zu erobern. Der erste genetische Austausch des Homo sapiens mit dem Homo neandertalensis ist für diese Phase in Israel (Quafzeh) belegt.

Die beiden hybridisierten Genpools ermöglichten die Entstehung des Cromagnon-Menschen, der imstande war, als Individuum beliebig die Klimazonen zu wechseln und bald darauf als Homo sapiens sapiens alle Kontinente des Erdballs zu besiedeln.

 

 

 

Homo heidelbergensis oder Mediterraner Mensch (500.000 - 130.000 bc)

 

Früheste Eurasier, die als Übergangsform zwischen Homo erectus und Homo sapiens neandertalensis, bereits in einem Vier-Jahreszeiten-Zyklus zu leben vermochten und in diversen Ausprägungen in allen gemäßigten und warmen Klimazonen beheimatet waren.

 

 

 

Homo sapiens neandertalensis oder Borealer Mensch (130.000 bis 26.000 bc)

 

Frühe Eurasier, die aufgrund ihrer fleischlastigen Ernährungsweise, insbesondere die kälteren Klimazonen zu nutzen vermochten und den saisonalen Revierwechsel zwischen Sommer- und Winterlagern beherrschten, sodass sie rund ums Jahr den eiszeitlichen Herdentieren folgen konnten, wie etwa dem Mammut, dem Auerochsen oder dem Wildpferd. Obwohl es zu allen Zeiten genügend Kräuter und Beeren zu finden gab, konnte den Neandertalern nicht mal der Verzehr von Wassertieren nachgewiesen werden, sodass sein Speiseplan mehr dem der Wölfe ähnelte, als jenem seiner Artgenossen, die in unterschiedlicher Ausprägung auch Obst konsumierten und fischen gingen. Der hohe Konsum an tierischen Proteinen bewirkte ein Wachstum des Gehirnvolumens auf bis zu 1750 ccm, was beträchtlich größer war, als jenes seines Vetters Sapiens, der bis heute nicht mehr als 1450 ccm erreicht. Vor 40.000 Jahren wurden sie, in Folge mehrerer verheerender Vulkanausbrüche im Bereich ihrer Sommerlager, sowie der anschließenden Belegung ihrer südlichen Jagdgebiete durch Cromagnon-Jäger aus dem Kaukasus, eingekesselt und stark dezimiert. In den geographisch am weitesten von den Kaukasiern im Osten und den klimatischen Kälterückfällen im Norden entfernten Regionen, in Spanien, Portugal und Kroatien, überlebten die letzten Populationen als mediterrane Küstenhöhlenbewohner. Die letzten Individuen starben vor 28.000 Jahren aus.

 

 

 

Cromagnon | Homo sapiens sapiens oder "Eiszeitmensch Eurasiens" (45.000 bis 10.000 bc)

 

Am Ende einer mehrere tausend Jahre anhaltenden Monsun-Phase über Nord-Afrika, in der die Sahara erblühte und zahlreichen Populationen ein paradiesisch anmutendes Zuhause bot, flohen die Menschen vor der sich ausbreitenden Dürre in die Levante und trieben die dort ansässigen neandertaloiden Sapiens-Hybriden vor sich her. Die Völkerwanderung setzte sich nach Norden fort bis in den Kaukasus. Hier beginnt die Geschichte des Cromagnon, die sich in Kältephasen nach Süd-Wast-Europa, in Wärmephasen nach Nord-West-Europa fortsetzte, wo er relativ isoliert vom nilo-saharischen Zustrom, kontinuierlich für Nachschub an Sapiens-Erbgut in den borealen Jagdgründen der immer spärlicher werdenden Neandertaler sorgte. Nachziehende levantinische Stämme mussten direkt, entlang der Schwarzmeer-Küste, nach Westen ausweichen, wo sie diesem anfangs noch häufiger begegnet sein müssen.

Der bisher älteste Fund eines Homo sapiens Fragments auf europäischem Boden, stammt aus einer Höhle in Rumänien. Es ist 45.000 Jahre alt und trägt, neben der modernen Geometrie, neandertaloide Züge, wie auch Merkmale des Archaischen Homo sapiens aus Afrika. DNA-Untersuchungen offenbarten einen Anteil des Neandertaler Erbguts von 11% und bewies den zeitnahen Genfluss zwischen Individuen der Neandertaler und des levantinischen Cromagnon. Ähnliche Merkmale weisen ein Fossil mit 31.000 Jahren aus Tschechien, sowie ein weiteres, 25.000 Jahre alt, aus Portugal stammend, auf. Von da an beginnt eine fortwährende Überlagerung (Crossing-Over) des Neandertaler-Genpools im Erbgut der nachströmenden Sapiens-Populationen. Es hat sich aber bis heute in der DNA der Europäer mit etwa 5% Anteil verankert und tritt insbesondere durch die typischen Merkmale, wie helle Pigmentierung der Haut, grüne und blaue Augen, sowie blonde und rote Haare, zum Vorschein.

 

 

 

Neolithiker | Homo sapiens sapiens oder "Moderner Mensch" (Seit 10.000 bc)

 

Von den letzten Eiszeitjägern der nördlichen Hemisphäre (Cro-Magnon) unterschieden sich die ersten Ackerbauern (Homo sapiens sapiens) schließlich in nichts weiter mehr, als der neuen Art der Nahrungsbeschaffung. Auch lässt sich keine zeitliche und räumliche Trennlinie definieren, die den Übergang vom Jäger zum Ackerbauern klar dokumentiert. Der Wandel vollzog sich überall sporadisch und verschwand an vielen Stellen wieder im steinzeitlichen Alltag, um erst später wieder aufzutauchen.

Mit dem Kälteklima verschwanden nicht nur die Neandertaler, auch die Herden der großen Eiszeittiere und somit die gewohnte Lebensgrundlage des Cromagnons, der gezwungen war, über Alternativen zu sinnieren. Die Jagd wich zunehmend der Haltung domestizierter Nutztiere und dem Anbau von Nutzpflanzen. Er aber blieb anatomisch derselbe, der er in all seinen ausgestorbenen Varianten schon vor 200.000 Jahren war und in den überlebenden drei Hauptvarianten (Afrikaner, Asiaten, Europäer), mit einer Vielzahl an Mischungen, bis heute ist:

der Homo Sapiens.

 

 

 

Homo sapiens sapiens oder "Moderner Mensch" (Wir im Jetzt)

 

Dennoch verschmilzt, durch die Abspaltung des Begriffes Cro-Magnon vom Begriff Sapiens, das Mensch-Sein als solches, mit dem Beginn der neolithischen Revolution und der ihr folgenden rasanten technischen Entwicklung.

Rückblickend endet die Sicht auf die eigene Identität als Mensch dadurch abrupt mit dem Auswerfen der ersten Saat.

Alles Vorhergehende verschwindet konturlos wie in einer dunklen Höhle, vor deren Eingang der Begriff der Steinzeit, sich wie ein Felsen fügt.